Testbericht: Samba De Amigo

Der Sommer 2008 ist endgültig Geschichte. Ob er jemals da gewesen ist oder man uns in diesem Jahr um die heiße Jahreszeit betrogen hat, sei einmal dahingestellt. Die Supermärkte präsentieren jedenfalls schon die ersten Lebkuchen und Schokonikoläuse und auch das Wetter wird immer kälter, grauer und trüber. Und was macht Sega? Bringt mit „Samba De Amigo“ einen grinsenden Affen, schüttelnde Rasseln und südamerikanisches Flair direkt auf unsere Wii. Da muss doch einfach gute Laune aufkommen, oder? Immerhin gehörte der Vorgänger auf Segas letzter eigener Konsole „Dreamcast“ zu den absoluten Top-Titeln. Wir haben den Sommer auf diese Art und Weise nachgeholt und verraten euch, wie viel Spaß das Schütteln zu den heißen Rhythmen wirklich macht…

Lass die Sonne rein!

Rhythmusspiele sind nicht erst seit Guitar Hero und Rockband angesagt. Bereits auf Segas Dreamcast erschien 2001 ein Musikspiel, das es in sich hatte. Zusammen mit dem freakigen Space Channel 5 (Ich bete jeden Abend für eine Fortsetzung mit Ulala!) gehörte Samba De Amigo zu den innovativsten und gleichzeitig ausgefallensten Games, die man im insgesamt verdammt starken Line Up der Dreamcast finden konnte. Samba De Amigo war nämlich kein simples Rhythmusspiel, sondern es war einfach mehr. Es wurde in einer Bigbox mitsamt Maracas-Controllern, Sensorleiste und Tanzmatte ausgeliefert. „Big“ war zwar auch der Preis für die wenigen Exemplare, die es während der viel zu frühen Endphase der Dreamcast noch nach PALien schafften, doch „big“ war eben auch das Spielerlebnis. Die Sensorleiste war übrigens für die Höhenmessung zuständig, denn in Samba De Amigo müssen die Rasseln in drei verschiedenen Höhen geschüttelt werden. Was damals noch kabelgebunden war, sollte doch nun auf Nintendos Wii problemlos möglich sein, oder?

Leider nicht wirklich. Denn wo damals die Sensorleiste eindeutige Dienste lieferte, mussten sich die Programmierer von Gearbox im neuen Wii-Teil etwas einfallen lassen, wie man die Steuerung umsetzen konnte. Gemessen werden eure Bewegungen nun am Neigungswinkel der Wiimote, bzw. des Nunchuk. Haltet ihr die Controller nach oben, wird das Schütteln als „oben“ identifiziert. Gerade gehalten schüttelt ihr in der Mitte und nach unten gehalten rasselt ihr – na, wer kann es erraten? Richtig, dann rasselt ihr unten. Was euch das bringt? Und warum ihr in dem Game überhaupt rasseln müsst? Ach richtig, nicht jeder Leser kennt das Original, deswegen fange ich am besten mal von vorne an und verrate euch das Grundprinzip des Titels.

Obwohl es sich um ein Musikspiel handelt, bietet Samba De Amigo eine Story – zumindest im Booklet. Der kleine Primat Amigo stolperte eines Tages im örtlichen Musikladen über ein paar Rasseln – Maracas genannt – und rasselte so toll, dass er ein Star wurde. Nach einer Tour kehrt der frisch gekürte „Maraca King“ heim zu seinen Eltern, wo eines Tages ein Luftschiff in Form eines Affenkopfs vor seinem Haus hält. Heraus steigt Amigos Schwester Amiga, die ebenfalls mittlerweile zum Rasselstar avancierte. Flugs ist ein gemeinsames Rasseln in der Stadt beschlossen und es geht auf, um der Welt den Samba zu bringen! Die Story ist dabei so seicht wie der Plot des „Sex and the City“-Kinofilms und es verwundert nicht, dass man im Spiel selbst darauf gar nicht weiter eingeht. Man findet sich schlicht und ergreifend im Hauptmenü wieder, wo man neben den Optionen die einzelnen Spielmodi anwählen kann. Das Hauptaugenmerk liegt für den Einzelspieler dabei natürlich auf dem klassischen Karrieremodus, der entweder klassischen „Original“ oder als „Disco“-Variante gespielt werden kann. Egal für welche Version man sich entscheidet, man hat anfangs zwei Schwierigkeitsstufen (leicht und normal) zur Auswahl, zwei weitere Stufen folgen später. Verschiedene Charaktere bieten euch dabei ihre persönliche Herausforderung an, was im Prinzip einfach nur heißt, dass ihr fünf Songs der Reihe nach durchrasselt und bei entsprechend gutem Abschneiden die Challenge geschafft habt. Ist eine Herausforderung geschafft, wird die nächste Challenge freigeschaltet, bis alle Herausforderungen in einem Schwierigkeitsgrad verfügbar sind.

Das Spiel läuft dabei relativ simpel ab. Auf dem Screen finden sich sechs kreisrunde Ziele in den Farben Rot, Gelb und Grün, die für die drei Positionen hoch, mittel und unten sowie die beiden Seiten rechts und links stehen. Mittig erscheinen so genannte Rhythmuskugeln, die sich auf den Weg zu den Zielen befinden. Sobald eine Rhythmuskugel in einem Ziel angekommen ist, muss eure „Maraca“ an der entsprechenden Stelle geschüttelt werden. Die Rhythmuskugeln richten sich dabei nicht nur nach dem Rhythmus des Spiels, sondern können auch in einer Reihe auftauchen, woraufhin so schnell wie möglich gerasselt werden muss. Erscheint mittig das Strichmännlein „Mr. Pose“ und schwingt die Arme, so wird ein Disco-Manöver vorgeführt, welches nachgeahmt werden muss. Trifft man die Rhythmuskugeln perfekt, wird dies auch entsprechend honoriert und der Combozähler steigt, bis ihr den ersten Fehler macht und dadurch sogar Buh-Rufe aus dem imaginären Publikum kassiert. Doch nicht nur Combos können euer Punktekonto aufbessern, sondern auch die so genannte „zweihändige Karambolage“. Dies bedeutet, dass ihr eine Rhythmuskugel beidhändig trefft, indem ihr die Controller übereinander legt. Das geht natürlich nicht, wenn gerade rechts und links gleichzeitig zwei Rhythmuskugeln getroffen werden wollen, aber zwischendurch sind immer wieder einzelne Kugeln unterwegs, mit denen ihr diesen Bonus einsacken könnt. Bereits während des Songs zeigt eine Bewertung von „A“ bis „E“ an wie gut, respektive wie schlecht ihr euch schlagt. Nur mit einer „C“-Wertung oder besser gilt der Song als bestanden, wobei für eine hohe Platzierung in den ausführlichen internen Ranglisten natürlich die Bestbewertung angebracht wäre.

„Hals über Kopf“ ist der nächste Spielmodus, in welchem ihr wahlweise alleine mit dem Computer oder zu zweit rasselt. Wichtig ist ein synchrones und fehlerfreies Rasseln beider Parteien, denn hier ist Teamwork angesagt um „Freundschaftspunkte“ zu sammeln. Wer genug der trauten Zweisamkeit hat, darf sich im „Wettkampf“ natürlich auch duellieren und ermitteln, wer besser die Maracas schüttelt. Das „Schnellspiel“ ermöglicht die simple Auswahl und das schnelle Spiel einzelner Songs und der „Überlebensmodus“ lässt eine bestimmte Anzahl von Fehlern zu, mit denen ihr möglichst viele Songs absolvieren müsst. Na, habt ihr bis zu diesem Zeitpunkt etwas vermisst? Nein? Dann denkt noch einmal nach, immerhin haben wir es mit einem Wii-Titel zu tun. Richtig, die Minispiele! Sieben Stück gibt es davon, wobei diese allesamt eher nettes Beiwerk sind, aber kaum unterhalten können. Um die Wette rasseln, Maulwürfe treffen (DER Klassiker in jeder Minispielesammlung), eine Piñata mit den Rasseln zerstören, Volleyball spielen (sick!), in der Disco tanzen – alles keine Dinge, die man unbedingt haben muss, aber die eben nun einmal da sind.

Schüttel mich!

Wie steuert sich aber nun Samba De Amigo, gerade verglichen mit dem Dreamcast-Original? Zuerst einmal muss erwähnt werden, dass man entweder eine Wii-Remote plus Nunchuk-Steuerung wählen kann, für dekadente Spieler aber auch die Verwendung von zwei Wiimotes pro Spieler möglich ist. Ich empfehle dabei die zweite Variante, da hierbei nicht nur das Gewicht in beiden Händen gleich verteilt ist, sondern auch das störende Kabel zwischen Wii-Remote und Nunchuk entfällt und jede der Wiimotes ihren Lautsprecher rasseln lässt. Nach einer Kalibrierung im Optionsmenü kann es auch gleich losgehen. Im leichten Schwierigkeitsgrad werden die Schüttler dabei relativ zuverlässig erkannt. Man bemerkt zwar, dass schon leichte Bewegungen immer wieder als Rassler gezählt werden, aber da die Rhythmuskugeln ohnehin noch recht langsam sind, kann man derartige Fehler in der Bewegungserkennung relativ leicht ausgleichen. Dennoch geht immer mal wieder ein Rassler ohne eigenes Verschulden daneben, was den Highscore kostet und einfach nur ärgerlich ist. Wirklich schlimm wird es dagegen in den höheren Schwierigkeitsstufen. Wenn nämlich wirklich präzise und vor allem schnelle Reaktionen gefordert sind, die teils von links oben nach rechts unten gehen, dann merkt man immer wieder, dass die Erkennung der Befehle versagt. Wo die kabelgebundenen Maracas auf der Dreamcast selbst bei hohem Tempo präzise funktionierten, mischen sich in der Wii-Version immer wieder Fehler ins Spiel mit ein, was dem Profi den Highscore versaut und damit den Spielspaß raubt.

Anders sieht es im Zweispielermodus aus. Hier sind im Prinzip beide Spieler mit der nicht 100%ig exakten Steuerung gestraft und müssen sich mit denselben Problemen herumschlagen. Zudem wird man dort ohnehin meist in den niedrigen Schwierigkeitsstufen spielen, wo sich die Steuerung nicht wirklich negativ bemerkbar macht. Gerade im Kreis mit Freunden beweist Samba De Amigo nämlich auch in der Wii-Fassung, dass es vom Konzept her ein tolles Game ist. Das Rasseln ist leicht zu erlernen und binnen weniger Sekunden kommt man mit dem Gameplay zurecht. Schade ist allerdings, dass es an der Genauigkeit hapert, wobei es dem Spaß im Mehrspielermodus nur bedingt einen Abbruch tut.

Pay to play?

Eine Besonderheit bietet Samba De Amigo noch. Vor einiger Zeit wurde seitens Nintendo in Zusammenhang mit WiiWare und den erweiterten Zusatzinhalten für Spiele das „Pay to Play“-Logo angekündigt, welches eben auch die Verpackung von Segas Maracas-Schüttler ziert. Loggt man sich über den entsprechenden Menüpunkt ein, findet man online momentan ein einziges Songpack zum Download. 500 Wii Points soll man für dieses Paket bestehend aus drei Titeln zahlen. Enthalten sind dabei „Are you gonna be my girl“ von Jet, „I want Candy“ von Bow Wow Wow sowie Lou Begas „Mambo Mambo“. Preislich gesehen ist dies zwar vergleichbar mit den Downloadpreisen für Songpacks anderer Konsolen, allerdings sind alle Stücke in Samba De Amigo recht kurz gehalten. 119 freie Blöcke werden übrigens für den Download benötigt. Einen Freundescode gibt es ebenfalls, allerdings lässt sich hier leider nicht online mit- oder gegeneinander rasseln, sondern man darf lediglich seine Highscores miteinander tauschen. Schade, dass hier etwas Potenzial verschenkt wurde.

Kunterbunte Rasselbande

In Sachen Grafik macht Samba De Amigo viel richtig. Die kunterbunte Optik des Titels ist zwar technisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber immerhin in sich stimmig. Einige Punkte wirken wie von der Dreamcast-Version übernommen und lediglich leicht aufgepeppt, was das Flair des Originals bewahrt. Auf Special Effects muss bei einem Musikspiel allerdings verzichtet werden. Löblich dagegen ist, dass neben dem 60 Hz- auch der 480p-Modus unterstützt wird.

Viel mehr Wert wird daher auf den Sound gelegt – und der kann sich in der Tat sehen, respektive hören lassen. Über 40 Songs stehen in Samba De Amigo zur Auswahl, wobei viele Songs aus dem Original sowie der einzig in Japan erschienenen 2000er-Version bereits bekannt sind und um neue Songs ergänzt wurden. Die Titel stammen dabei allerdings nicht allesamt von den Originalinterpreten, sondern wurden teils neu interpretiert. Was wie eine billige Methode klingt um die Lizenzgebühren zu sparen, macht im Falle von Samba De Amigo jedoch durchaus Sinn. Ein Titel wie Chumbawambas „Tubthumping“ würde im Original kaum zu dem südamerikanischen Flair des Games passen und wurde deswegen zusammen mit anderen Titeln neu eingespielt – was in den Extras übrigens als recht interessantes Video freizuspielen ist. Der Großteil der Tracks – angefangen von „Samba de Janeiro“ und „Macarena“ über „Livin la vida loca“ bis hin zu „Mambo No. 5″ – hätte besser nicht gewählt werden können und lässt verkraften, dass man nicht immer den Originalen lauscht. Die Soundeffekte sind zwar eher durchschnittlich, das fällt jedoch nicht negativ auf. Hinzu kommt, dass man bei der Wahl der deutschen Sprecherin, die euch die Steuerung erklärt, einen immerhin ambitionierten Eindruck macht. Ebenfalls erwähnt werden muss, dass der Lautsprecher der Wii-Remote zum Einsatz kommt und die Geräusche der Rasseln simuliert. Im Verlauf des Spiels lassen sich noch weitere Sounds freispielen, ein Ersatz für die richtigen „Maracas“ ist dies jedoch nicht. Ob man auf die mittlerweile von einem Dritthersteller verfügbaren Maracas-Aufsätze für die Wiimote zurückgreifen möchte, ist eine Kostenfrage und die muss jeder für sich selbst beantworten. Authentischer als mit dem Sound aus der Wiimote ist das Spielerlebnis allerdings definitiv.

Fazit

Samba De Amigo macht vieles richtig und versagt doch in einem der wichtigsten Punkte: Technisch ist der Titel in sich stimmig, der Sound und das damit verbundene Samba-Flair überzeugt auf ganzer Linie und das Spielprinzip an sich ist simpel, aber genial. Dumm nur, dass gerade die Steuerung hier dem Game das Genick bricht. Einzelspieler mit der Lust auf die Highscorejagd werden in den höheren Schwierigkeitsgraden schnell gefrustet sein und die Steuerung verfluchen. Mit mehreren Spielern dagegen macht Samba De Amigo trotz dieser Schwäche immens Laune. Für eine gepflegte Samba-Party mit jeder Menge Tequila gibt es jedenfalls keine bessere Abendunterhaltung, als wild die Maracas, bzw. Wii-Remotes zu schütteln.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Packshot Samba De Amigo

Samba De Amigo

Release: 02.10.2008
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: