Testbericht: NiGHTS: Journey of Dreams

Als Sega vor vielen Jahren noch als Konsolenhersteller tätig war, musste man sich als First Party-Entwickler stets gegen die starke Konkurrenz behaupten. Nintendo hatte mit Mario den erfolgreichsten Videospielcharakter in der Hinterhand, der damals noch aufstrebende Sony-Konzern mit seiner Playstation konnte dagegen Crash Bandicoot als coolen Videospielhelden etablieren. Nachdem 1996 Sonics guter Ruf bereits schwand, versuchte man seitens Sega einen komplett neuen Helden zu erschaffen: „NiGHTS“ war geboren und erschien exklusiv für Segas Saturn. Das Game rund um den violetten Traumdämon wurde damals im Package mit einem speziell dafür designten Analog-Controller ausgeliefert, der dem Spieler ein völlig neues Spielgefühl vermittelte. Mehr als eine Dekade später sind Analogsticks längst keine Innovation mehr, dennoch war bei vielen Fans die Freude groß, als nach langer Wartezeit und vielen Spekulationen endlich ein Sequel von „NiGHTS: Into Dreams“ für Nintendos Wii angekündigt wurde. Wir haben ein kleines Nickerchen gemacht und uns für euch in den Traumwelten des Harlekins einmal genauer umgeschaut …

Lasst die Träume beginnen …

NiGHTS: Journey of Dreams setzt trotz gegenteiliger Aussagen der Entwickler aus dem „Sonic Team“ eigentlich genau da an, wo das Original vor 12 Jahren aufgehört hat. Auch im Sequel spielen zwei Kinder und deren Träume nämlich die Hauptrolle, nur heißen die beiden Protagonisten diesmal William Taylor und Helen Cartwright. Beide werden aufgrund aktueller Ereignisse in ihrem Leben von Albträumen geplagt – der Fußball begeisterte Will fühlt sich von seinem Vater vernachlässigt und im Stich gelassen, während die junge Violinistin Helen Probleme mit ihrer Mutter hat – und müssen nun zusammen mit dem violetten Harlekin gegen ihre inneren Dämonen ankämpfen. In ihren Träumen reisen sie nach Nightopia, dem Land der Träume, wo beide ziemlich rasch Bekanntschaft mit der allwissenden Eule „Owl“ schließen (die euch mit der Steuerung vertraut macht und künftig Tipps gibt) und auch auf NiGHTS treffen. Doch die Bewohner in Nightopia können nicht in Frieden leben, denn der fiese Zaubrer „Wizeman“ bedroht die Idylle im Traumland. Schon bald stellt sich heraus, dass auch der Besuch von Will und Helen zum perfiden Plan des Schurken gehört, benötigt er doch die so genannten Ideyas der Kinder. „Ideyas“ stellen dabei so etwas wie die Tugenden der beiden dar, wobei unseren jungen Helden aufgrund ihrer schlimmen Träume nur noch das Ideya der Tapferkeit geblieben ist. Zu allem Überfluss wird NiGHTS auch noch von seinem Gegenspieler Reala und den garstigen Nightmarens eingesperrt.

Doch hier kann Abhilfe schnell geschaffen werden, denn an dieser Stelle geht das Spiel nach einer ersten Einführung in die Steuerung und einer kleinen Eröffnungssequenz erst richtig los. Der Traumdämon NiGHTS ist aber schnell wieder aus seinem Gefängnis befreit, denn es reicht schon aus den Käfig mit Will oder Helen zu erreichen und mit NiGHTS zu „dualisieren“. Dabei verschmilzt euer Held mit dem flugfähigen Kasper und darf fortan dessen Kräfte nutzen. Wer noch nie von NiGHTS gehört hat, könnte sich im ersten Moment durchaus etwas über die Spielmechanik wundern. Denn wurde der Harlekin aus seinem Käfig befreit, wechselt das Game von seiner 3D-Spielmechanik in die Flugabschnitte, die eigentlich auf vorgegebenen Bahnen in 2D ablaufen. Man kann NiGHTS zwar dort in allen gewünschten Richtungen bewegen, die zu fliegenden „Rundkurse“ sind aber streng vorgegeben. Im eigentlichen Spielverlauf fällt das aber kaum auf und macht sich definitiv nicht negativ bemerkbar. Die Steuerung ist dabei überraschend simpel ausgefallen und bietet dem Spieler viele Wahlmöglichkeiten. Gänzlich misslungen ist übrigens die Steuerung einzig mit der Wiimote, die man von vornherein gleich ausschließen sollte, muss hier NiGHTS doch mit der Pointerfunktion dirigiert werden, was für jede Menge Verzögerungen in der Naviation sorgt. Besser wird es mit dem angesteckten Nunchuk, denn nun wird der Harlekin mit dem Analogstick navigiert und ein Knopfdruck aktiviert den Dash. Alternativ dazu lässt sich auch der Classic Controller sowie – meine Empfehlung – ein Gamecube Controller verwenden, was jeweils automatisch vom Spiel erkannt wird. Das an sich sehr simple Steuerungskonzept verzichtet zwar auf jegliche Wii-Fähigkeiten, alte Hasen fühlen sich dennoch sofort heimisch und auch neue Spieler kommen schnell damit zurecht, wenngleich paradoxerweise die Steuerung Flugaction etwas stoischer wirkt als damals auf dem Saturn.

Natürlich schwirrt NiGHTS in den Träumen dabei nicht ziellos durch die Lüfte, sondern muss bestimmte Aufgaben erfüllen. Nahezu 1:1 aus dem Original entnommen wurden die „Verfolgungsmissionen“. Musste man damals genug blaue Chips finden um den Käfig endgültig zu zerstören, gilt es nun einen fliehenden Drachen mit dem Schlüssel in den Pranken zu verfolgen und einzuholen. Dabei ist Eile angesagt, denn eure violetten Fluggesellen steht nach dem Entkommen aus seinem Käfig stets nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, um die gestellte Aufgabe zu erledigen. Die für einen schnelleren Flug notwendige Dash-Anzeige lässt sich dabei durch das Erreichen von „Links“ wieder aufladen: Fliegt ununterbrochen durch am Himmel befindliche Ringe oder sammelt blaue Chips, um den Counter immer weiter in die Höhe zu treiben und zusätzliche Bonuspunkte zu ergattern. Stellt sich euch ein Feind in den Weg, habt ihr zwei Möglichkeiten. Entweder ihr fliegt an den Feind, so dass ihr diesen automatisch ergreift und mit einem kurzen Dash aus dem Weg räumen könnt, oder ihr umgarnt ihn mit einem so genannten Paraloop, welcher eine Art schwarzes Loch entstehen lässt, das alles in seinem Inneren einsaugt. Auf diese Art können nicht nur Gegner ausgeschaltet werden, sondern so lassen sich auch Chips einsammeln und wie es in manchen Missionen gefordert wird die hilflosen Nightopians einsammeln und retten. Denn im Unterschied zum Saturn-Klassiker sind nun nicht mehr alle Levels auf das Zerstören der Käfige ausgelegt, sondern man wollte dem Titel spielerisch zusätzliche Abwechslung verleihen. Neben den Verfolgungsmissionen gilt es nun auch eine bestimmten Anzahl von Links zu erreichen, Nightopians vor dem Einsaugen in ein schwarzes Loch zu retten und dergleichen mehr.

Was von den Entwicklern gut gemeint war, entpuppt sich in der Praxis dabei allerdings ein kleine Spaßbremse. In NiGHTS: Into Dreams war es just jenes innovative Fluggefühl, womit man punkten konnte und was den Titel damals wie heute einzigartig machte. Im Sequel werden diese Aufgaben nun seltener gestellt, stattdessen kommen sogar pure Plattformeinlagen mit den beiden Kindern ins Spiel, in denen der violette Harlekin selbst gar keine Rolle mehr spielt. Das ist mehr als schade, da sich vor allem die Hüpfpassagen mehr als steif und altbacken spielen. Man ist hierbei froh den Ausgang gefunden und damit das Level beendet zu haben. Etwas mehr Feintuning wäre vonnöten gewesen, um diesen Missionen dieselbe Faszination zu verleihen wie den Flugpassagen von NiGHTS, so dass ein etwas unausgegorener Nachgeschmack bleibt. Waren im Original übrigens noch möglichst viele gesammelte blaue Chips für den Highscore wichtig und sah man sich so vor dem Erreichen des Käfigs und dem Dualisieren mit NiGHTS immer erst mit den Kindern die Welt erkunden, fällt dieses Element in NiGHTS: Journey of Dreams nahezu komplett weg – aus eben erwähnten Gründen bezogen auf die Steuerung der beiden Kleinen ist dies aber kein Nachteil. Fans des Originals werden sich auch bei den Bosskämpfen schnell heimisch fühlen und hier kann NiGHTS: Journey of Dreams vor allem in den ersten Begegnungen mit den fiesen Obermotzen überzeugen. Die Kämpfe gegen die Schurken sind grafisch gut in Szene gesetzt worden und machen vor allem durch das abwechslungsreiche Gameplay Laune. Auch wenn der Bewegungsspielraum oftmals auf zwei Dimensionen begrenzt ist, so macht es dennoch Spaß die großen Widersacher durch Anrempeln in Hindernisse zu bugsieren oder ein Spinnennetz zu zerstören. Kehren die Gegner am Ende der Träume ein zweites Mal wieder, stecken sie mehr Treffer ein und erfordern teils eine leicht geänderte Taktik, haben aber ein Stück ihrer ursprünglichen Faszination eingebüßt.

Am Ende eines jeden Levels erfolgt übrigens je nach erreichtem Punktestand noch eine Bewertung, wie es Fans auch aus dem Saturn-Teil bereits kennen. Dadurch wird nicht nur für eine gewisse Motivation gesorgt die eigenen Ergebnisse zu verbessern, sondern wenn man alle Stages mit mindestens einem „C“-Ranking abgeschlossen hat, darf man sich auch auf ein kleines Goodie am Ende freuen. Dieser Wiederspielwert der Levels tut dem Game dabei recht gut, ist es doch mit insgesamt knapp drei Stunden pro Charakter eigentlich recht schnell durchgespielt. Bedenkt man dabei noch, dass dazu auch diverse Cutscenes der Story gerechnet werden, die sich nach dem Verlust eines der unendlichen Leben nicht skippen lassen und immer wieder geschaut werden müssen, ergibt sich so auf den ersten Blick kein sonderlich großer Umfang für den Titel. Doch wie schon damals, so ist auch heute NiGHTS in erster Linie auf sein Arcade-lastiges Gameplay und den hohen Wiederspielwert der Stages ausgelegt. Durch die Variation in der Aufgabenstellung leiden nur manche der Levels darunter, dass man sie einfach nicht gerne mehrere Male absolviert.

Um diesen Negativpunkt auszumerzen, wurden dem Game noch diverse Boni beschert, die ebenfalls erwähnenswert sind. Zum einen hätten wir da das so genannte „A-Life System“, welches Sega-Fans schon aus dem Original oder in erweiterter Form aus den den „Sonic Adventure“-Titeln für die Dreamcast kennen dürften. Unter „My Dream“ steht dem Spieler ein virtueller Garten zur Verfügung, in welchem er bis zu fünf verschiedene Nightopians und Nightmarens halten kann. Die durch Paraloops im Spiel eingesaugten Charaktere landen dabei direkt in eurem Garten und können so dessen Erscheinungsbild verändern. Über den Wetterkanal wird dabei das aktuelle Wetter eurer Umgebung integriert, zudem lassen sich per Wi-Fi Connection die Gärten anderer User besuchen oder auch andere User in den eigenen Garten einladen. Auch ein Tausch von Gegenständen ist in „My Dream“ möglich. In Form von entweder Will oder Helen kommt dabei euer Besuch aus einer großen Tür, kommuniziert wird über vorgegebene Icons, die aber nicht über die Standardfloskeln hinausgehen. Was in der Theorie relativ spannend klingt, entpuppt sich aber in der Praxis als eher unnötige Dreingabe, da allen Spielern nur dieselben Wesen zur Verfügung stehen und sich somit die Gärten auch nicht großartig voneinander unterscheiden. Ein weiteres Extra ist der Zweispieler-Modus, der in zwei Bereiche unterteilt wurde. Zum einen gibt es den „Battle Modus“, der nur lokal ausgeführt werden kann und in welchem man sich mit blauen Chips gegenseitig bewirft: *gähn*. Ansprechender ist da schon der „Race Modus“, der nicht nur gegen einen Spieler vor Ort, sondern auch online gespielt werden kann. Egal ob gegen einen Freund per Freundescode oder gegen einen zufällig gewählten Gegner, die stabilen Verbindungen und das Lag-freie Spielen machen durchaus Laune und lassen darüber hinwegsehen, dass hierbei nur insgesamt vier Kurse zur Verfügung stehen.

Träume ich?

Kenner des Originals werden sich bestimmt daran erinnern, was für eine grafische Pracht NiGHTS auf dem Saturn auf den Bildschirm zauberte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, was mit gemischten Gefühlen zu betrachten ist. Auf der einen Seite ist das knallbunte und teils etwas durchgeknallte Charakterdesign auch heute noch einen Blick wert, auf der anderen Seite wirken manche Stages wie aus der Saturnversion übernommen, wobei sich leider auch die grafischen Verbesserungen im Rahmen halten. Die Texturen sind natürlich etwas schärfer und kontrastreicher, aber gerade in den häufigen Cut-Scenes wird deutlich, dass solche Momente nicht gerade die Muskeln der Wii spielen lassen. Im Spiel selbst fällt die Optik dagegen kaum negativ auf, da etliche Partikeleffekte und die vielen bunten Elemente im raschen Flug einen guten Eindruck hinterlassen. Auch die Bosskämpfe wurden grafisch meist opulent inszeniert und glänzen mit ihren teils tollen Lichteffekten sowie der generell eindrucksvollen Beleuchtung. Öde und karg dagegen wirken die 3D-Passagen, die es mit der Kindern zu absolvieren gilt. An diesen Stellen empfindet man nicht nur die Texturen als trist und langweilig, auch das Leveldesign wirkt einfallslos. Dazu im krassen Gegensatz stehen Stages wie der letzte Level vor dem Aufeinandertreffen mit Wizeman, wo man über der fiktiven Stadt Bellbridge, die frappierend an London erinnert, vor einem Feuerwerk über den Himmel rauscht. Ebenso gelungen sind auch die CGI-Sequenzen, in denen zwar das Charakterdesign nicht immer optimal ist, die aber den Titel dennoch durch ihre hochwertige Optik aufwerten. Schade also, dass NiGHTS: Journey of Dreams optisch einen etwas unausgewogenen Eindruck hinterlässt.

Dies setzt sich leider auch beim Sound so fort. Die englische Sprachausgabe ist an sich zwar authentisch und kann sich hören lassen, ist aber auch nicht frei von Patzern. Zum einen ertönte Helens Stimme an vielen Stellen etwas dumpf und leiser als die anderen Charaktere, zum anderen ist es einfach nur nervig, dass NiGHTS vom stummen Harlekin aus dem Original zum wahrhaften Plappermaul mutiert ist und einfach die Klappe nicht halten kann. Dies raubt dem Spiel in den Cut-Scenes ein Stück weit die mystische Atmosphäre, die man damals auf dem Saturn genießen konnte. Den anderen Charakteren ist zwar auch ein deutlicher britischer Akzent anzumerken, störend ist dies aber nicht. Wirklich gut geworden dagegen ist die musikalische Untermalung. Hier hat man seitens Sega alles richtig gemacht und mit Natfumi Hataya sogar den Komponisten der Saturn-Version für das Sequel auf der Wii verpflichten können. Fans merken dies von der ersten Sekunde an, da viele der verträumten Melodien an Klassikern des Originals angelehnt sind. Abgerundet wird der Sound von passenden Effekten, die sich ansprechend in das Spielgeschehen einfügen.

Fazit

Die Ansätze von NiGHTS: Journey of Dreams sind in der Tat gut und man merkt, dass sich das „Sonic Team“ in vielen Punkten wirklich Mühe gegeben hat. Das Flair des Saturn-Originals wurde nahezu beibehalten, das von Fans geliebten Charakterdesign und die imposanten Bosskämpfe tragen genauso zur Atmosphäre bei wie der überaus gelungene Soundtrack und die grafisch ansprechend umgesetzten Verfolgungsmissionen. Der Zweispielermodus und die Onlinefähigkeit sind auch als Pluspunkte zu verzeichnen. Leider trüben aber einige Mängel den an sich sehr guten Gesamteindruck. Die immer noch kitschige Story mag zwar zu NiGHTS passen, hätte aber mit etwas weniger Schmalz und weniger vorhersehbar präsentiert werden können. Und wo man dem Titel im Vergleich zum Original mehr Abwechslung spendieren wollte, hat man leider ins Klo gegriffen und eher langweilige Stages erschaffen, die kaum Wiederspielwert besitzen. In Kombination mit grafischer Mittelmäßigkeit und einigen groben Designpatzern wird klar, dass NiGHTS: Journey of Dreams noch deutlichen Feinschliff benötigt hätte. So steht der Titel klar im Schatten seines Saturn-Originals und hat deutlich Potenzial verschenkt, denn hier wäre eigentlich noch mehr drin gewesen. Fans des fliegenden Harlekins sowie Freunde ungewöhnlicher Spielideen dürfen aber dennoch gerne einen Blick riskieren und sich in die kunterbunten Traumwelten stürzen.

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Packshot NiGHTS: Journey of Dreams

NiGHTS: Journey of Dreams

Release: 25.01.2008
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: 6