Testbericht: Dead Space: Extraction

Mit „Dead Space“ wagte Electronic Arts im letzten Jahr einen erfolgreichen Ausflug ins Reich des Survival Horrors. Die Überraschung war groß, als man Anfang des Jahres mit „Dead Space: Extraction“ einen „Dead Space“-Teil für Nintendos Wii ankündigte. Umso größer war allerdings auch die Enttäuschung, als die ersten Details zu diesem Titel bekannt wurden. Es sollte sich um einen Railshooter handeln, der die Bewegungsfreiheit des Spielers naturgemäß stark einschränkt. Skeptiker warfen Electronic Arts sogleich eine „Vercasualisierung“ vor und belächelten die Entwicklung. Trotz aller Skepsis haben wir uns natürlich frei von allen Vorurteilen die Nietpistole und den Flammenwerfer geschnappt, um für euch die Minenkolonie Aegis VII von Aliens zu säubern…

In den Weiten des Alls

Mit Dead Space: Extraction bringt Electronic Arts keinen Nachfolger des Horrorspiels auf Nintendos Bewegungskonsole, sondern erzählt vielmehr die Ereignisse, die vor dem ersten Teil passiert sind. Der Titel richtet sich somit indirekt auch an alle Käufer des Erstlings auf den HD-Konsolen, die mehr über die Ereignisse auf Aegis VII erfahren wollen. Im Laufe des Spiels schlüpft der Spieler dabei in die Haut verschiedener Personen aus dem Dead Space-Universum, deren Wege sich hier und da kreuzen. So wird nach und nach mehr über die Geschichte um den mysteriösen Felsbrocken „Marker“ aufgedeckt, warum die Menschen auf der Kolonie Amok laufen und was es mit den Nekromorphs auf sich hat. Von der ersten Sekunde wird dabei klar, dass man seitens der Entwickler von Visceral Games zwar als Grundkonzept einen Railshooter gewählt hat, allerdings dabei verdammt viel Wert auf die Story und die Atmosphäre des Titels gelegt wurde. Wo die Genrekollegen den Spieler vom ersten Moment an mit purem Geballer konfrontieren und kaum eine Verschnaufpause lassen, geht Dead Space: Extraction andere Wege. In vielen Dialogen und Zwischensequenzen wird die Story weiter gesponnen. Ruhige Momente lassen Zeit für die Entwicklung der Charaktere, die man selten so ausgeprägt in einem Spiel dieses Genres erlebt hat. Die Action spielt natürlich auch in Dead Space: Extraction eine große Rolle und wurde fulminant in Szene gesetzt.

Aufgelockert wird dies aber immer wieder durch Storysequenzen, Momente in der Schwerelosigkeit und Abschnitte, in denen die Kamera mittels Pointer kurzzeitig frei bewegt werden kann. Wer sich hier auf die Suche begibt, findet verborgene Items, Munition, Waffen sowie weitere Extras. Dies ist auch durchaus angebracht, denn die Fieslinge in Dead Space: Extraction fordern vom Spieler eine neue Vorgehensweise um diese aus dem Weg zu räumen. Zielte man bei den Genrekollegen wie The House of the Dead: Overkill oder Resident Evil: Umbrella Chronicles in erster Linie auf die Köpfe, um seine Opponenten mittels Headshoot schnellstmöglich kampfunfähig zu machen, reagieren die Nekromorphs kaum auf Treffer am Kopf. Stattdessen sollte der Spieler sich lieber auf ihre Gliedmaßen konzentrieren. „Strategic Dismemberment“, also eine „strategische Verstümmelung“ nennt dies der Hersteller und kam bereits beim HD-Vorgänger somit überraschenderweise durch die deutsche FSK-Kontrolle. Auch bei Dead Space: Extraction halten sich die Schnitte der deutschen Version in Grenzen und bedeuten eigentlich keine Einschnitte im Gameplay. Mit dem roten Lebenssaft wird nicht gespart, immer wieder dürfen Todessequenzen einzelner Mitmenschen verfolgt werden und die nach eurem Beschuss ablebenden Nekromorphs hinterlassen ebenfalls deutliche Spuren. Dennoch setzt Dead Space: Extraction nicht auf Gewalt um der Gewalt willen, sondern sieht sie als notwendiges Spielelement an, um das Überleben der eigenen Spielfigur zu sichern.

Damit ihr nicht zu früh ins Gras beißt, solltet ihr den Umgang mit den verschiedenen Waffen schnell lernen. Die Anfangsmission lehrt euch dabei bereits, dass ihr mit der seitlich gedreht gehaltenen Wiimote die Zweitfunktion eurer aktuell gewählten Waffe aktivieren könnt, was bei der Nietpistole eine Art Lötschuss auslöst. Weitere Wummen wie der Plasmacutter oder ein Flammenwerfer sorgen nicht nur optisch für Aufsehen, sondern zeigen auch bei euren Gegnern teils durchschlagende Wirkung. Health Packs und dergleichen mehr regenerieren dagegen eure Gesundheitsanzeige, Logs lassen euch weiter in die Geschichte eintauchen und gut versteckte Schränke und Türen verbergen neben weiteren Extras auch die ein oder andere Abkürzung, die euch den Weg durch die Raumstation erleichtern kann. Das ist bitter notwendig, denn mit einem Kindergeburtstag hat Dead Space: Extraction nichts zu tun. „Normal“ ist der niedrigste Schwierigkeitsgrad und wer diesen meistert, darf sich noch in drei weiteren Kategorien versuchen, wobei die höchste Schwierigkeitsstufe passender Weise mit „unmöglich“ betitelt wurde. Gezielte Schüsse und ein flinkes Erkunden der Umgebung ist somit notwendig, um in der Abrechnung nach jedem Level möglichst viele Punkte zu erreichen, die versteckten Extras zu finden und – der wichtigste Punkt überhaupt – mit dem blanken Leben davon zu kommen.

Mit einem zweiten Spieler vor der Konsole funktioniert dies übrigens ein wenig leichter. Denn wo Schalterrätsel und Telekineseeinlagen noch alleine gut zu lösen sind, wird es bei den Lötstellen die gelöst werden müssen komplizierter. Mit einem Freund an der Seite kann sich einer der Spieler um das Rätsel kümmern, während der andere die heran stürmenden Nekromorphs erledigt. Auf der anderen Seite sollte aber bedacht werden, dass Dead Space: Extraction nun einmal den Fokus auf die Story legt. Schnelle Ballerorgien mit einem Kumpel sind in der Kampagne daher kaum zu finden, da man immer wieder von den Storysequenzen und Rätseln ausgebremst wird. Doch zum Glück hat wurde seitens Visceral Games auch an den flotten Mehrspielerspaß gedacht und ein zweiter Spielmodus integriert, in dem man sich den im Sekundentakt anstürmenden Monsterhorden in den Weg stellen darf. Hier liegt das Hauptaugenmerk klar auf der Action, nur muss zum kompletten Freischalten dieses Modus die Kampagne erst einmal absolviert werden. Darüber hinaus hat man sich noch für die Extras etwas einfallen lassen. Dort finden sich im Spiel entdeckte Teile eines Cartoons, der die Hintergrundgeschichte des Games in netten Illustrationen und komplett vertont weiter beleuchtet. Man hat sich also nicht lumpen lassen und versucht in einen Railshooter soviel Gameplay wie möglich zu packen. Neben der Spielzeit von gut sieben Stunden alleine für die Kampagne spricht auch die durchdachte Steuerung für den Titel. Natürlich kommt die Pointerfunktion der Wiimote zum Einsatz, die sehr präzise und absolut hervorragend reagiert. Der B-Button feuert eure Waffe ab, mit dem A-Button setzt ihr die Telekinese ein, mit der ihr nicht nur Gegenstände an euch ziehen, sondern auch wieder von euch schleudern könnt. Mit Z wird nachgeladen und C aktiviert die Stase, eine Art Zeitlupe. Die Waffenwahl wurde auf den Analogstick gelegt. Der Wii-Zapper wird übrigens ebenfalls unterstützt, die Bedienung gestaltet sich jedoch ein wenig unkomfortabel, so dass ein Spielen mit der Kombination aus Wiimote und Nunchuk leichter fällt. Selbst das „Fuchteln“ wurde nicht vergessen, denn eine Nunchuk-Bewegung löst einen Nahkampfangriff aus, während ein Schütteln der Wiimote Angreifer abschüttelt.

Schockierende Technik?

Wer nach der Enthüllung von Dead Space: Extraction als Railshooter übrigens gedacht hatte, dass Electronic Arts hier eine billige Umsetzung auf Nintendos Konsole bringen würde um damit schnell Kohle zu scheffeln, hat die Rechnung ohne die Programmierer von Visceral Games gemacht. Diese haben mit Dead Space: Extraction mal eben fast der gesamten Konkurrenz gezeigt, wie gut auch ein Third Party-Titel auf Nintendos Bewegungskonsole aussehen kann. Viele Elemente aus den HD-Brüdern wie Lichtquellen, Weitsicht und Schattenbildung scheinen übernommen worden zu sein, so dass man in einigen Momenten nur an der geringeren Auflösung die Wii-Version ausmachen kann. Die Mimik der NP-Charaktere sucht auf der Wii Ihresgleichen, die wilden Kamerafahrten ziehen den Spieler in ihren Bann und die Animationen der Nekromorphs sind butterweich und authentisch. Ein besonderes Lob verdient ganz generell die nahezu perfekt umgesetzte Atmosphäre, die Kenner der HD-Teile sofort erkennen lässt, dass hier mit viel Liebe zum Detail gearbeitet wurde, anstatt wie bei vielen anderen Entwicklern eine Wii-Version lieblos auf die Konsole zu rotzen. Nur an den Explosionen hätte man eventuell noch etwas feilen können.

Richtig viel Arbeit hat man sich auch in Sachen Sound gemacht. Dieser unterstützt die düstere und bedrohliche Atmosphäre des Titels optimal. Die Effekte auf dem Schiff wirken authentisch, die Schreie der Nekromorphs sind gruselig und die Geräusche aus dem Hintergrund lassen euch immer wieder vermuten, dass ihr euch wirklich in den Tiefen des Alls befindet. Sporadisch passend eingesetzte Hintergrundmusik verstärkt diese Atmosphäre noch einmal. Abgerundet wird der hervorragende Gesamteindruck von bis auf wenige Kleinigkeiten absolut glaubwürdige englische Synchronsprecher, die fast durch die Bank weg einen tollen Job erledigen.

Fazit

Visceral Games hat es allen Kritikern gezeigt: Dead Space: Extraction ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die den Titel belächelt und als weiteren billigen Railshooter angesehen hatten. Ja, man bewegt sich auf festen Pfaden vorwärts. Aber wir bekommen hier verdammt nochmal einen der besten Railshooter der letzten Jahre serviert. Die Technik ist überzeugend und wischt mit fast der gesamten Third Party-Konkurrenz den Boden auf. Der Sound ist fantastisch, das Gameplay tight und mit vielen kleinen Auflockerungen versehen, die man in einem Railshooter kaum vermutet hätte, die aber wie die Faust aufs Auge passen. Alles in allem ist Dead Space: Extraction vor allem schockierend – schockierend gut.

Zweites Fazit von Andreas Abb

EA hat mit Dead Space: Extraction tatsächlich eine beeindruckende Leistung hingelegt. Nicht nur, dass das Spiel deutlich besser wurde als von Kritikern befürchtet, Dead Space rockt regelrecht! Wenn man sich auf die Gegebenheiten des Railshooter-Genres einlassen kann, erwartet einen ein grandios inszeniertes, sehr spannendes und absolut filmreifes Abenteuer aus der Ego-Perspektive. Ein richtig guter Action-Horror-Streifen zum mitspielen. Die Technik leistet sich keine Patzer, die Umgebungen wirken enorm stimmungsvoll, die Charaktere lebendig und der Sound gruselig. Dazu kommt noch ein angenehmer Gore-Faktor, der das Zerlegen der Gegner zur kleinen, sadistischen Freude macht.
Natürlich kann dem Spiel auf der anderen Seite seine relative Kürze vorgehalten werden, dafür haben die Levels aber dank Highscore- und Upgradejagd einen hohen Wiederspielwert. Ich werde mich definitiv noch mindestens ein weiteres Mal durch die Ishimura ballern! Und zwar zusammen mit einem Freund und voll aufgedrehter Anlage. Muahahaha!

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Packshot Dead Space: Extraction

Dead Space: Extraction

Release: 29.10.2009
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: 18