Testbericht: PES 2008 – Pro Evolution Soccer

Ungewöhnliche Konsolen verlangen ungewöhnliche Maßnahmen – schön wär´s, denn noch immer erscheint eimerweise schlecht portierter Spieleschund auf Nintendos innovativem Youngster, der die Möglichkeiten der Konsole in keiner Weise ausreizt. Umso mehr Freude machen demnach die etwas selteneren Lichtblicke. Konamis Pro Evolution Soccer wurde, obwohl ebenfalls portiert, bereits im Vorfeld mit Lorbeeren geschmückt, denn steuerungstechnisch gehen die Japaner komplett neue Wege. Geht der Plan auf?

Pro Revolution Soccer

Konami geht neue Wege, tun wir es doch auch mal. Sparen wir uns einfach mal die üblichen einleitenden Worte, die Erwähnung der nunmehr 7-jährigen Tradition der PES-Reihe, die auf der Playstation 2 ihren Ursprung nahm. Sparen wir es uns, groß darüber zu reden, dass die Reihe seit jeher der lizenztechnisch schwächere, spielerisch jedoch stärkere Bruder der Rampensau FIFA ist. Sprechen wir stattdessen über das Wesentliche, das Interessante. Pro Evolution Soccer 2008 ist knapp ein halbes Jahr nach den übrigen Next-Gen-Versionen auch für Nintendos Wii erschienen. Grund hierfür: Konami versprach eine völlig neue Art der Spielsteuerung, die gänzlich an die Gegebenheiten der Konsole und ihre Steuerungsmechanismen angepasst sein soll. Ziel war es, das Team zu steuern, nicht mehr nur einen einzelnen Spieler. Und auch mit den übrigen, eigentlich selbstverständlichen Nettigkeiten, wie etwa einem vollwertigen Online-Modus, sollte der geneigte Wii-Spieler verwöhnt werden.
Hat all das geklappt? Erfüllt Konami seine Versprechen? Jaaaaaaaaain – also viel ja und ein klein wenig nein. Trotz zahlreicher runder und gelungener Elemente, kann das Spiel nicht über seine kleinen Fehlerchen hinwegtäuschen, die das sehr gute Gesamtbild aber kaum trüben.

Ein dickes Paket

Wo fängt man bei einem so komplexen Titel am besten an? Vielleicht einfach beim Wesentlichen. Der Titel ist komplex. Sogar sehr. Wie sich im Vorfeld bereits abzeichnete, trotzt Konami jedwedem Trend zu sich selbstspielenden Casualgames und serviert Wii-Kickern die volle Ladung Kontrolle. Wer PES 2008 spielt, der wird dies aufgrund der Steuerung tun. Und die ist – Wii-Konzept sei dank – tatsächlich revolutionär.
Wie funktioniert das Ganze? Am Besten passt eine Beschreibung aus klassischer Fußballkontrolle und Echtzeitstrategie. Zusätzlich zur üblichen Möglichkeit, einen Spieler per Analogstick über den Rasen zu scheuchen, habt Ihr jederzeit mittels Pointer Zugriff auf die komplette Mannschaft und zahlreiche kontextsensitive Aktionen. Der PES-Trend geht in Richtung Planung, Taktik und Teamarbeit. Übernahm in Sportspielen bisher meist die KI die alleinige Kontrolle über nicht aktive Spieler, so könnt Ihr nun jederzeit Einfluss auf alle Teamkollegen nehmen, unabhängig davon, welchen Ihr steuert. Das Ganze fühlt sich, wie erwähnt, ein wenig nach Echtzeitstrategie an, denn ihr markiert Eure Kicker per Pointer und schickt sie zu einer beliebigen Stelle auf dem Feld. Oder direkt zu einem gegnerischen Spieler – einfach drauf geklickt und schon deckt Euer Mann den Opponenten. Habt Ihr gerade keinen Spieler markiert, tut es auch ein simpler Doppelklick – schon rennt das nächste Teammitglied zur entsprechenden Stelle oder dem gegnerischen Spieler. Je öfter Ihr den Doppelklick ausführt, desto mehr Eurer Mannen folgen der Aktion. Nur ein Spielzug von Unzähligen. Ebenso schnell wie das Bewegen funktioniert auch der Pass. Einfach auf den gewünschten Kollegen zeigen und B drücken, schon saust der Ball über das Spielfeld, je nach Entfernung tief oder hoch. Passt Ihr stattdessen ins Leere, macht sich der ballnächste Spieler sofort auf den Weg. Oder Ihr haltet den B-Knopf vor dem Pass gedrückt. Ein freier Spieler wird sich genau an die gewünschte Position begeben, noch bevor der Ball auf Reise geschickt wurde. So können präzise und gezielte Pässe innerhalb des Teams mit Leichtigkeit durchgeführt und in jede beliebige Richtung gespielt werden. Was sich in der Theorie etwas kompliziert liest, ist herrlich innovativ und durchdacht. Durch die Möglichkeit, das Team zu steuern, lassen sich erstmals ganze Spielmanöver manuell vorbereiten. Stürmt Ihr mit dem ballführenden Spieler in den gegnerischen Raum, kann ein Teammitglied parallel mitlaufen und Pässe durchführen. Sollte der Ball verloren gehen, kein Problem, denn Ihr habt den Gegner dazwischen in weiser Voraussicht zuvor decken lassen. Wie gesagt, nur ein Spielzug von Unzähligen. Die Steuerung von PES 2008 bietet Euch sämtliche gewohnten Feinheiten, vom Lupfen, Antäuschen oder Vorlegen bis hin zur gemeinen Blutgrätsche. Sämtliche wesentlichen Aktionen werden mittels des A-, B- oder Z-Knopfes und/oder dem Bewegen von Remote und Nunchuk durchgeführt, zum Elfmeterschießen wird selbstverständlich per Pointer gezielt. All das hat aber auch seinen Preis, denn die präzise Kontrolle des Spiels will erstmal erlernt sein. Völlig zu Recht hat Konami hierzu ein umfangreiches Trainingscamp mit fünf thematischen Hauptgebieten und zahlreichen Unterpunkten eingebaut. Für jeden wesentlichen Spielzug gibt es ein verständliches, spielbares Tutorial zum Erlernen. Somit werden aber zunächst einige Stunden ins Land gehen, bis Ihr auf dem Rasen sicher wisst, was Ihr tut. Spielen lässt sich der Titel auch vorher, keine Frage. Denn die Entscheidung, in wie weit Ihr Euer Team manuell kontrolliert, liegt ganz bei Euch. Erfolgen keine Befehle, jagt die KI die Kollegen wie gewohnt selbstständig über das Feld. Allerdings entgeht Euch damit ein großes, ein wirklich ganz großes Stück an Kontrolle. Die Steuerung ist komplex, in ihrer Vielfalt zu Beginn möglicherweise sogar verwirrend, aber innovativ und sehr gut spielbar. Das ist der große Pluspunkt von PES 2008, das ist im Wesentlichen sogar sein Kaufargument.

Und sonst?

Nachdem wir dieses Mal mit der Steuerung eingestiegen sind, bleibt natürlich noch der ganze Rest, quasi das eigentliche Spiel. Neben Freundschaftsspielen gegen die KI oder einen Freund, gibt es klassische Spielmodi wie die Liga oder das Pokalturnier, das Euch am Ende mit dem namensgebenden Becher beglückt. Neu in der Version 2008 ist zudem die Champions-Road, ein Karriere Modus. Ihr startet mit einer unbekannten Mannschaft aus einem beliebigen Land und kickt Euch nach und nach zu Weltruhm. Motivierend hierbei ist die Möglichkeit, die eigenen Mannen nach und nach in verschiedenen Kategorien aufzuwerten. Durch absolvierte Spiele erhalten sie Erfahrung, die beim „Levelaufstieg“ Grundwerte wie Offensive, Defensive oder Nahkampf verbessert. Nach und nach formt Ihr Euch also das persönliche Traumteam. Obendrein gibt’s noch die Möglichkeit, sich nach einem gewonnenen Match Spieler des Gegners zu „klauen“. Ähnlich vieler Kartenspiele dürft Ihr verdeckt einen Spieler wählen, der nur durch Grundstärken wie Abwehr oder Sturm angedeutet wird – mit etwas Glück ist sogar ein gegnerischer Starspieler dabei, der fortan für Euch kickt. Dieser Teamausbau motiviert enorm und spornt stets dazu an, die persönliche Mannschaft zu perfektionieren. Wer komplett von seiner Mannschaft überzeugt ist, kann Spieler auch per WiiConnect24 oder über den internen Speicher der Wiimote zu Freunden transferieren.
Lizenztechnisch sieht es hingegen schon wesentlich düsterer aus. Im Vergleich zu EAs FIFA, dass in seiner aktuellen Version über 14.000 echte Spieler samt Vereinen bietet, liefert Konami immer noch viel Fake-Ware. Zwischen lizensierten Vereinen wie Bayern München oder Arsenal, befinden sich auch zahlreiche frei erfundene, einfach deshalb, weil Konami bei weitem nicht alle der teuren Vereinslizenzen besitzt. Die Nationalmannschaften sind hingegen vollständig vertreten, wenn auch mit teils gekünstelten Namen. So findet sich im schwarz-weißen Team der Dichter und Denker beispielsweise ein gewisser Herr Pomatski, es bedarf nicht allzu viel Gehirnschmalz, um die beabsichtigte Ähnlichkeit zu Lukas Podolski zu bemerken. Mit dem integrierten Editor können Spieler- und Vereinsnamen übrigens nach Belieben geändert werden, wer will und viel Geduld hat, könnte im Prinzip die nicht vorhandenen Lizenzen selbst eintragen.

Über all dies hinaus bietet Pro Evolution Soccer 2008 die ganze Palette an gewohnten Features. Neben unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden können Tageszeit und Wetterbedingungen, ebenso wie individuelle Spieleinstellungen – Abseits, Faul, Spielerermüdung – nach Herzenslust konfiguriert werden. Tore oder ganze Matches können nachträglich in aller Ruhe betrachtet, analysiert und gespeichert werden. Die Spieleraufstellung kann vor und auch während eines Matches jederzeit geändert werden, jeder Spieler lässt sich jeder Position des Spielfelds zuweisen. Und wer überhaupt nicht genug von seinen persönlichen Miis bekommen kann, hat sogar die Möglichkeit mit ihnen zu spielen, was allerdings in einem riesigen Chaos in Form von Melonenkopfgewusel ausartet. Wer’s unbedingt braucht, darf damit glücklich werden.

Rundes Leder?

Um die Überschrift zu beantworten, ja das Leder ist rund. Sogar ziemlich. Allerdings fällt das im Laufe des Spiels nicht wirklich auf. Was hingegen auffällt, ist, dass die Spielermodelle bei weitem nicht so rund sind, wie sie es sein könnten. Offenbar hat Konami sämtliche Ressourcen in die Entwicklung der Steuerung gesteckt, denn grafisch ist der Titel nicht mehr als einfach nur solide. Zwar sind die Animationen sehr fein und viele Elemente, etwa die Kamerateams beim Spielereinzug sorgen für Atmosphäre, doch insgesamt bleibt das Spiel hier hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das zweidimensionale Publikum hat höchstens Schießbudencharme, die Texturen der übergroßen Vereinstücher, die hin und wieder von den Fans hochgehalten werden, verdienen das Wort Auflösung nicht. Die Hauptakteure auf dem Rasen sehen zwar passabel aus, in Nahaufnahmen werden die Detailschwächen in Gesichtern und Trikots aber deutlich. Schade, hier hätte auch mit Wii-Technologie viel mehr gemacht werden können. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass die meisten dieser Punkte während des schnellen Spielgeschehens ohnehin nicht auffallen.

Akustisch wurden die wichtigsten Regeln des Fußballs dafür erfüllt. Während des Spiels klingt ständig das Jubeln, Singen und Tröten der Fans in den Ohren. Die beiden Kommentatoren Hansi Küpper und Wolf Christoph Fuss sind zudem schon lange im Geschäft (unter anderem bei ARD, WDR, Sat1, DSF, Premiere,…) und machen ihren Job dementsprechend gut. Soweit lizenztechnisch möglich nennen sie die Spieler auch beim Namen – ein großer Pluspunkt im Videospielfußball. Wen die Sprüche nach einer Weile dennoch nerven, der kann die Kommentarhäufigkeit in drei Stufen regeln.

Die Welt zu Gast bei PES

Und da war doch noch was … Richtig! Der Online-Modus, Nintendos Stiefkind. Wer generell lieber gegen menschliche Kontrahenten spielt, aber gerade keinen Freund zur Hand hat, der hat mit einem Klick auf den verheißungsvollen Menü-Button „Nintendo WFC“ die Möglichkeit dazu. Leider krankt PES 2008 hier im Vergleich zu den Versionen für Xbox 360 und PS3 an den bekannten Einschränkungen von Big Ns Online-Konnektivität. Euch stehen lediglich zufällig zusammengewürfelte Freundschaftsspiele, sowie Matches gegen Spieler aus Eurer Freundesliste zur Verfügung. Eine simple Statistik führt Buch über Siege und Niederlagen. Ein wenig dünn, wenn man an Lobby, Community-Einbindung und Turniermöglichkeiten auf den Konkurrenzkonsolen denkt. Die Schuld hierfür ist aber nicht bei Konami zu suchen, sondern liegt vermutlich in den Wurzeln des Wii-Online-Services. Immerhin funktioniert das Internetspiel technisch einwandfrei, mit einer normalen DSL 2000 Verbindung über WLAN traten keinerlei Lags auf, das Spielgeschehen lief zu jeder Zeit flüssig und schnell, was die Matches äußerst spannend und vergnüglich machte.

Fazit

Man braucht eigentlich nicht um den heißen Brei herumzureden. Trotz diverser Abzüge in der B-Note ist Pro Evolution Soccer 2008 ein richtig gutes Spiel. Ein Spiel, das vieles anders macht und auch ein Spiel, das manches noch besser machen könnte. Doch in der Summe der Einzelteile ergibt die präzise und wirklich innovative Steuerung, gepaart mit der daraus resultierenden Teamkontrolle und dem gewohnt guten Gameplay der PES-Reihe, die bisher beste Fußballerfahrung auf Wii. Wer nur mal zwischendurch den leichten Action-Kick sucht, könnte bei Mario Strikers oder FIFA 08 zwar besser aufgehoben sein, wer aber bereit ist, etwas Lernzeit zu investieren, der kommt um diese Sportspielperle nicht herum. Die offensichtlichen Macken, etwa die verbesserungsfähige Grafik oder die dünne Spielerlizenz, verwehren dem Titel zwar den Aufstieg in den Wertungsolymp, einen Silber-Award samt Kaufempfehlung eines glücklichen Redakteurs hat PES 2008 aber völlig zu Recht verdient.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Packshot PES 2008 – Pro Evolution Soccer

PES 2008 – Pro Evolution Soccer

Release: 27.03.2008
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 4
USK: