Hands-On: PES 2008 – Pro Evolution Soccer

Wie spielt man auf Wii eigentlich Fußball? Da hat man schon einen bewegungsempfindlichen Controller, kann auch vorzüglich bowlen oder golfen, aber wie bitte kontrolliert man denn ein Spiel, das eigentlich nur mit den Füßen gespielt wird? Die bisher einzigen Rasenvertreter FIFA 08 und Mario Strikers gingen dieser Frage durch eher klassische Bedienungsmechanismen geschickt aus dem Weg. Doch nicht zuletzt aufgrund der anstehenden Fußball EM, bedarf es endlich einer realistischen Simulation des runden Leders. Vorhang auf für Pro Evolution Soccer. Im Rahmen einer Präsentation in Frankfurt hatten wir die Möglichkeit, die bald erscheinende 2008er Version in aller Ruhe anzuspielen.

Zeit, dass sich was dreeeeeht

„Es spielt sich wirklich sensationell!“ – Noch bevor wir das erste Mal selbst Hand an den Controller anlegten, hatte Pressebetreuer Hajo Neu mit funkelnden Augen dreimal diesen Satz betont. „Man braucht zwar etwas Eingewöhnungszeit aber schaut her, er spielt vielleicht fünf Minuten und hat schon sein erstes Tor geschossen.“ Neu zeigte auf einen Jungen, der mit schnellen Bewegungen der Wiimote Pfeile über den Rasen malte. Das ist also die neue Generation von Pro Evolution Soccer, Kontrolle heißt hier das Zauberwort. Um sich auf dem Rasen zurechtzufinden, muss man über die klassische Steuerung eines Fußballspiels hinausdenken. PES 2008 ist keine familiengerechte Wii-Portierung mit Minigames und Casual-Elementen. Es ist knallharter Sport, der – und soviel darf nach den ersten Runden gesagt werden – die Bedienung in Sportspielen revolutionieren könnte. Gezeigt wurde die bereits fertig lokalisierte PAL-Fassung, so wie sie am 27. März in den Läden stehen wird.
Als dann ein Fernseher frei wurde, nahmen wir mit Markus Schaffarz von Gamesunit als Gegner Platz und starteten in die erste Runde…

Command & Soccer

Inhaltlich bietet Pro Evolution Soccer 2008 zunächst den erwarteten Umfang. Alle Spieler, Vereine und Modi der übrigen Konsolenfassungen sind auch auf Wii zu finden. Neben Freundschaftsspielen und Ligen gibt es zudem einen Turniermodus, indem man eine selbst erstellte, unbekannte Mannschaft in die höchsten Sphären des Fußballruhms befördert. Soweit nichts außergewöhnliches, unser Probespiel konzentrierte sich stattdessen auf den Multiplayerpart. Auf vorbildliche Weise kann Konamis neueste Rasenrangelei sowohl lokal als auch online gespielt werden, ein Ligasystem mit Ranglisten wird es allerdings nicht geben. Hier muss dem System der Freundescodes der Tribut gezollt werden, das Onlinespiel bietet primär lockere Freundschaftsspiele.

Nachdem die Mannschaften gewählt und die Standartaufstellungen hastig bestätigt wurden, geht es endlich auf den Rasen. Das Berliner Olympiastadion tobt, über der Tribüne wallt eine riesige FC Bayern-Decke (was machen eigentlich die Zuschauer, die da drunter sind?) und die Helden der Stunde marschieren ein, begleitet von Fotografen und Kamerateams. Die Details wissen zu gefallen und die Stadionatmosphäre kommt sofort rüber. Doch im Augenblick des Anpfiffs verstehen wir sofort, was Hajo Neu meinte, als er von Eingewöhnungszeit sprach. Unsere Spieler glucksen verloren über das Spielfeld. Passen? Schießen? Wie geht das?
Pro Evolution Soccer definiert den spielerischen Ansatz im Videospielfußball nahezu komplett neu. Bisher steuerte man immer den ballführenden, bzw. in der Defensive den ballnächsten Spieler – auf jeden Fall immer nur einen. Pässe wurden weitestgehend automatisch zu den Teamkollegen gelenkt, die nach bestem KI-Vermögen über den Rasen turnten. Doch was wir auf Konamis Präsentation anspielten, fühlte sich im ersten Moment mehr nach Echtzeitstrategie an. Zwar lenkt man mit dem Nunchuck immer noch einen Spieler, allerdings herrscht mittels Pointerfunktion jederzeit Kontrolle über die restlichen Spieler auf dem Platz. Wählt man ein Teammitglied per A-Knopf an, kann es mit einem weiteren Tastendruck in eine beliebige Richtung geschickt werden. Schüsse und Pässe werden ebenfalls manuell per Pointer gelenkt. Das mag im ersten Moment blanker Irrsinn für jeden mit einer Hand-Augen-Koordinationsschwäche sein, bietet aber nach etwas Übung ungeahnten Komfort. Der Spieler im Ballbesitz kann so beispielsweise in den gegnerischen Raum stürmen, während seine Kollegen zielgenau aufgestellt werden – einer im Mittelfeld, zwei im Elfmeterraum und noch einer kurz vor dem Tor. Diese Teambefehle kosten nur einen Bruchteil einer Sekunde. Wird es für den ballführenden Spieler zu eng, malen wir eine Passlinie grob in Richtung unseres Kameraden. Eine zweite Linie zeigt sofort dessen Laufrichtung um den Pass abzufangen. Ob das Zuspielen klappt und er den Ball rechtzeitig erreicht, lässt sich also schon abschätzen, bevor das runde Leder überhaupt auf Reisen geschickt wurde. Dummerweise werden unsere Spieler im Elfmeterraum jetzt von Gegnern gedeckt. Also schicken wir einen an den Spielfeldrand und ziehen die nächste Passlinie lieber etwas in den freien Raum, sofort rennt der Kollege los. Zurück zum Tor gepasst und mit einem eleganten Fallrückzieher verwandelt. Klingt famos.

In der Praxis kostete es tatsächlich aber einiges an Zeit, dieses System aus einerseits aktiver Steuerung per Analogsick und andererseits taktischer Teamaufstellung per Pointer zu verinnerlichen. Doch die Lernkurve erwies sich als ausgesprochen steil und nach der ersten, vernichtenden 0:5 Niederlage (in welche Richtung muss man nochmal spielen), ging die nächste Runde gleich 2:1 für uns aus. Entscheidend hierfür waren die unkomplizierte und intuitive Verschiebung der Spieler und die Toleranz der Steuerung. Auch wenn wir im Eifer des Gefechts mal danebenklickten, erkannte das Spiel trotzdem recht zuverlässig, welcher der Mannen ausgewählt werden sollte.
Obwohl PES 2008 damit nicht ganz Nintendos Leitsatz folgt (sofort loslegen können), birgt es doch durch seine Steuerung eine völlig neue, taktische Komponente. Wem das ganze übrigens zu viel Rasenschach ist, der kann optional auch auf die klassische Steuerung zurückgreifen, verzichtet damit aber auf ein hohes Maß an Kontrolle.

Randnotizen

Allzu genaue, technische Angaben lassen sich anhand des Probespielens zwar noch nicht machen, allerdings offenbart PES 2008 grafisch ein paar kleinere Schwächen. Grundsätzlich ist die Optik in sich sehr stimmig, insbesondere die Animationen der Spieler wissen zu gefallen – egal ob während des Spiels oder beim Jubel nach einem Tor. Bei genauerem Hinsehen hätten es aber überall ein paar Polygone mehr sein dürfen. In Großaufnahme sehen die Spieler etwas kantig aus und bewegen sich technisch nur auf gehobenem Playstation2-Niveau. Auch das Publikum besteht nur aus zweidimensionalen Sprites, was an einigen Stellen deutlich zu sehen war. Dafür konnte die Soundkulisse auf Anhieb fesseln, neben der typischen Stadionakustik machen vor allem die Kommentatoren ihren Job gut – kein Vergleich mit dem Billig-Mikrofon-Klang vergangener FIFA-Spiele.

Fazit und Prognose

Viel schiefgehen kann eigentlich nicht mehr. Nachdem Pro Evolution Soccer 2008 auf den übrigen Konsolen bereits Topwertungen einfuhr, steht uns Ende März auch für Wii ein echtes Brett ins Haus. Konami liefert sozusagen den Antichrist zum anhaltenden Casualtrend. Ein Spiel mit Anspruch und taktischer Tiefe, das selbst Redakteure, die den virtuellen Sport für gewöhnlich meiden, anspricht. Lediglich die Optik hätte durchaus noch aufpoliert werden dürfen, immerhin bekam die Wii-Version fünf Monate mehr Zeit spendiert.
Dennoch, sollten sich im ausführlichen Test nicht noch gravierende Fehler finden lassen, wird PES 2008 ein echter Hit!

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