Testbericht: Metal Slug Anthology

Seit wenigen Wochen ist es möglich sich Spiele des Konsolen-Oldies „NeoGeo“ über die Virtual Console auf seine Wii zu laden. Doch bereits vorher schon konnte man einige dieser Klassiker auf Nintendos weißer Wunderkiste zocken. Wie das gehen soll? Atari sei Dank, veröffentlichte man doch mit der „Metal Slug Anthology“ gleich sieben klassische Arcade-Games der „Metal Slug“-Reihe auf einer einzigen Disc. Wir haben uns mit Messer und MG bewaffnet und sind für euch in die virtuelle Schlacht gezogen.

Back to the 90s!

Mit Metal Slug Anthology macht der Spieler einen großen Schritt zurück in die Vergangenheit. Es waren die 90er, als die Automatenspiele in den Spielhallen eine neue Blütezeit erlebten und oftmals ein technisches Vorbild für die Konsolenspiele der damaligen Zeit darstellten. Just in jener Zeit erblickte auch SNKs erster Metal Slug-Automat das Licht der Welt, im Jahre 1996 um genau zu sein. Das Game verkörperte dabei in nahezu perfekter Weise das typische Arcade-Feeling, stellte es doch einen Sidescroller mit reichlich Action und jeder Menge Waffen sowie einer gehörigen Portion „Kawumms“ dar. Der Erfolg des ersten Teils bestätigte SNK in ihrer Arbeit und nach einem zweiten ebenso erfolgreichen Teil zog das Game eine ganze Reihe nach sich. Auf insgesamt sieben Teile ist man inzwischen gekommen, wozu neben Metal Slug 1 – 6 mit Metal Slug X auch ein Remake des ersten Teils zählt. Zum zehnjährigen Geburtstag der Reihe wollte man nun allen Fans des Arcade-Shooters eine kleine Freude machen, presste alle sieben Titel auf eine Disc und brachte diese für Nintendos Wii auf den Markt. Auf den ersten Blick klingt das wie ein gefundenes Fressen für Retro-Zocker und Freunde klassischer Bitmap-Kost, zumal zwar einzelne Teile der Reihe in den letzten Jahren bereits für diverse Konsolen zu haben waren, dort aber immer jeweils zum Vollpreis angeboten wurden. Jetzt also alle sieben Klassiker zum Preis eines Titels?

Das Angebot scheint verlockend, doch sollten Retro-Freaks dennoch nicht sofort in den nächsten Laden stürmen und das Game unbedacht aus den Regalen reißen. Denn leider hat Atari bei der Umsetzung ein wenig geschludert und man könnte fast den Eindruck haben, als hätte man mit der Metal Slug Anthology den Hype um das Jubiläum des Titels ein wenig ausnutzen und möglichst effektiv damit Kohle abgreifen wollen. Anders lässt es sich leider nicht erklären, dass die Präsentation der Compilation derart lieblos geworden ist. Es kommt einem so vor, als wären die Titel der Reihe nach einfach ohne Modifikation auf die Disc gepresst worden, Hauptsache sie laufen und sind drauf. Diesen Eindruck bestätigt alleine schon das Menü, welches wie aus einem Debug-Menü entsprungen scheint und selbst mit viel Liebe zu Retro-Design irgendwie deplatziert wirkt. Auch die freischaltbaren Extras klingen zwar auf den ersten Moment gut, doch neben ein paar Artworks zu jedem Titel gibt es nicht viel zu bewundern. Ein Interview mit den Entwicklern wird versprochen? Ja, aber hier handelt es sich lediglich um einen kopierten Text aus irgendeiner Quelle – mehr nicht. Als Fan fühlt man sich so leicht ein wenig an der Nase herum geführt und man merkt, dass man sich bei der Zusammenstellung der Compilation nicht sonderlich viel Mühe gegeben hat. Doch ich will das Game nicht komplett schlecht reden, denn das ist nur der äußere Rahmen, die Präsentation und das eigentlich schmückende Beiwerk, wenngleich es hier so gar nicht schmückend wirken mag.

Das Hauptaugenmerk soll aber auf die einzelnen Metal Slug-Teile selbst gelegt werden – und diese haben es in der Tat in sich! Wer auf Sidescroller der klassischen Schule steht oder einen der Teile vielleicht sogar selbst noch aus der Spielhalle kennt, hat hier sein Paradies gefunden. Bereits der erste Teil der Reihe weckt etliche Erinnerungen und glänzt mit vielen spielerischen Highlights, was die Verwendung von alternativen Fahrzeugen und dergleichen mehr betrifft. Das Spielprinzip ist dabei seit dem ersten Teil eigentlich über die ganze Serie hinweg nicht verändert worden – gemäß dem Motto „never change a winning team“ eben. Der Spieler ballert sich bis unter die Zähne bewaffnet mit seiner Comicfigur durch die feindlichen Schergen, die mit dramatischen Animationsphasen das Zeitliche segnen und dabei literweise Pixelblut vergießen. Befreite Gefangene geben euch dabei nicht nur Extrapunkte, sondern teils auch Waffen-Kits. Wuchtige Explosionen sprengen größere Bauten und Fahrzeuge in die Luft, die Sprites fliegen an allen Ecken und Enden und den immer wieder auftauchenden Obermotzen darf mit Extrawaffen wie dem „Rocket Launcher“ oder den „Missiles“ eingeheizt werden. Zehn Granaten im Repertoire des Helden sorgen zudem für einiges an Durchschlagskraft. Wer im Kugelhagel getroffen wird, verliert eines seiner virtuellen Leben, erscheint aber sofort wieder auf dem Screen. Hat sich das Spiel dreimal wiederholt, ziert ein „Game Over“ den Bildschirm, sofern man nicht die Option der unendlichen Continues aktiviert hat. Allerdings gehen die bisher erzielten Punkte damit flöten und die Highscore-Jagd beginnt von vorne. Sofern sich ein zweiter Spieler in der Nähe befindet, darf dieser sich Arcade-typisch zu jeder Zeit ins Spielgeschehen einklinken und ihr könnt zu zweit auf Gegnerhatz gehen.

Im Laufe der insgesamt sieben Teile lässt sich vor allem der technische Fortschritt der Serie gut mitverfolgen. SNK hat sich hier von Jahr zu Jahr immer weiter gesteigert und präsentiert stets ausgereiftere Animationen, größere Explosionen und imposantere Gegner. Auch die Ideen sind der Spieleschmiede scheinbar niemals ausgegangen. Denn in späteren Teilen tritt man teils auch gegen Kreaturen aus dem Meer und sogar Zombies und Mumien an. Wird man von deren giftigem Schleim getroffen, nippelt man nicht sofort ab, sondern verwandelt sich erst einmal selbst in eine derartige Kreatur, die fortan schlurfend durch die Gegend zieht. Erst ein weiterer Treffer sorgt für den Verlust eines Lebens, während man durch das Aufsammeln eines MediPacks auch wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückfinden kann. Auch die Gefährten werden immer abgedrehter und reichen von normalen Panzern und Motorrädern über U-Boote bis hin zu bewaffneten Kamelen. In den späteren Teilen wurden die Levels übrigens durch alternative Wege und Abzweigungen aufgelockert und werden nicht mehr stur von links nach rechts durchlaufen, sondern scrollen in verschiedene Richtungen. Die einfallsreichen Endgegner sind ebenfalls aus einer ideenreichen Palette gewählt worden und stecken teilweise außerordentlich viele Treffer ein, bevor sie das Zeitliche segnen. Zieht ihr anfangs automatisch immer mit dem klassischen Kanonenhelden Marco und als zweiter Spieler in der Haut von Tarma in die Schlacht, wird das Repertoire der Charaktere schon bald massiv ausgeweitet. Maximal vier verschiedene Charaktere stehen euch in den späteren Teilen des Games zur Verfügung. Die Auswahl eures Helden ist aber stets dem eigenen Geschmack überlassen, da sich Fighter wie Fio, Trevor oder Nadia spielerisch nicht voneinander unterscheiden. Einzig in Metal Slug 6 werden ganze sechs Recken präsentiert und verfügen über unterschiedliche Skills in den Attributen „Power“, „Defense“ sowie „Speed“, was sich aber auch in diesem Fall nur marginal auf das eigentliche Spielerlebnis auswirkt. Mit begrenzten Continues ist Metal Slug dabei wie damals schon in der Spielhalle ein verdammt harter Brocken, der pixelgenau die kleinsten Fehler bestraft. Lässt die Motivation im Einzelspielermodus deswegen schnell nach, empfiehlt sich der Titel vor allem mit einem Kumpel zusammen vor der Konsole, denn für einige Stunden Baller-Action als Trip in die Vergangenheit ist das Game allemal zu gebrauchen.

Weniger ist manchmal mehr

Man sollte meinen, dass man in Sachen Steuerung bei einem klassischen Titel nicht viel verkehrt machen kann. Dann hat man aber dummerweise die Rechnung ohne Atari gemacht. In einem Anflug von Übereifer spendierte man Metal Slug Anthology nämlich etliche Steuerungsvarianten, von welchen man aber die meisten sofort in die Tonne treten kann. Das Game mit einer senkrecht gehaltenen Wii-Mote steuerun und dabei Arcade-Feeling erleben, indem man die Wii-Mote zur Seite neigt und damit seine Charaktere bewegt? Sorry, aber das entpuppt sich in der Praxis als ebensolcher Griff ins Klo wie die Variante mit Nunchuk, um mit dessen Analogstick die Pixelkämpfer zu bewegen. Im Prinzip gibt es nur zwei taugliche Steuerungsvarianten in diesem Game: Entweder man hält die Wii-Mote quer wie einen NES-Controller, steuert mit dem Digikreuz, springt und feuert mit den 1- und 2-Buttons. Für einen Granatenwurf muss die Wii-Mote in diesem Fall kurz geschüttelt werden. Die Alternative dazu wäre ein Gamecube-Controller, auf welchem aber nur über den Analogstick gespielt werden kann, das Digikreuz reagiert hier beim Spielen nicht. Warum man nicht einfach neben den vielen unnützen Varianten eine Unterstützung des Classic Controllers integrierte ist mir schleierhaft, ist doch gerade dieser eigentlich prädestiniert für derartige Games. Somit bleibt ein fahler Nachgeschmack bei der Steuerung zurück. Man wollte hier zwar innovativ sein und viele Möglichkeiten der Steuerung in petto haben, hat diese aber offenbar kaum in der Praxis getestet, da sonst deren Untauglichkeit sofort hätte auffallen müssen. Fans der Serie werden aber sicherlich dennoch eine Steuerungvariante finden, mit der sie sich arrangieren können. Hier wurde aber in der Tat viel Potenzial verschenkt.

Arcade-Feeling

Viel richtig gemacht hat man dagegen auf der technischen Seite. Nun gut, dazu muss auch gesagt werden, dass man auch nicht viel falsch machen konnte bei der Portierung der Arcade-Klassiker. Ob man die aus heutiger Sicht teils etwas angestaubte Bitmap-Optik der Metal Slug-Reihe mag oder nicht, muss letztlich wohl jeder für sich entscheiden. Wer sich mit der 2D-Optik anfreunden kann oder gar ein Fan der Serie ist, wird sich aber freuen hier die originalgetreuen Versionen aus der Spielhalle wiederzufinden. Die Animationen sind allererste Sahne und die vielen witzigen Ideen und Anspielungen in den Games sorgen immer wieder für ein Schmunzeln. Besonders größer geratene Obermotze können auch technisch überzeugen – immer gemessen natürlich am Erscheinungsjahr des Originals. Verglichen mit den heutigen Wunderwerken der Technik kann man mit der Optik der Klassiker natürlich niemandem mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Aber vielleicht finden auch Neueinsteiger Gefallen an den teils sehr liebevoll animierten Sprites aus einer Zeit, als noch nicht jedes Game nach seinen Texturen und der Polygonzahl bewertet wurde.

Arcade-typisch gestaltet sich auch der komplette Soundtrack. Hier sind es vor allem die etwas kratzigen Sprachsamples der ersten Teile, die das Retro-Flair wieder aufkommen lassen und für Atmosphäre sorgen. Qualitativ sonderlich hochwertig sind sie natürlich nicht, passen aber einfach zum Gesamtkonzept. Das gilt auch für die meist eher belanglosen und dennoch an der Action orientierten Hintergrundmusiken, die einfach zu einem Game dieser Art passen wie die Faust aufs Auge. Im Gemetzel geht die Musik zwar oft ein wenig unter, wirkt sich aber auch in ruhigeren Momenten, sofern es diese überhaupt einmal gibt, nicht negativ auf das Spielgeschehen aus. Midi-Gedudel aus der Spielhalle eben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Fazit

Metal Slug Anthology dürfte durch sein Arcade-lastiges Gameplay vor allem für Retro-Gamer und Freunde von Klassikern ein gefundenes Fressen sein. Die sieben Teile der Reihe sind erstmals auf einer Disc vereint und demonstrieren nicht nur, wie reinrassige Ballerei in der Spielhalle vor zehn Jahren ausgesehen hat, sondern auch, dass dies durchaus spaßig und mit viel Witz angereichert sein konnte. Fans der Reihe blicken zudem über die insgesamt eher lieblose Präsentation hinweg und arrangieren sich mit den nicht immer zufrieden stellenden Steuerungsvarianten. Allen anderen sei vor dem Kauf aber ein Anspielen dringend empfohlen, denn Bitmap-Shooter in 2D-Optik sind eben nicht jedermanns Sache.

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Packshot Metal Slug Anthology

Metal Slug Anthology

Release: 30.03.2007
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: 16