Testbericht: Die ultimative Brettspielesammlung

In Zeiten moderner Computerspiele könnte man meinen, dass die klassischen Brettspiele langsam, aber sicher aussterben. Dem ist natürlich nicht so, doch wenn man von einer „ultimativen Brettspielesammlung“ für Nintendos Wii hört, so könnte dieser Gedanke durchaus aufkommen. Ob man neuerdings wirklich lieber im Kreise von Freunden und Familie nur noch zur Wiimote greift oder alternativ dazu doch lieber die Würfel und das Spielbrett auspacken sollte, haben wir für euch getestet…

Die Würfel sind gefallen!

Der Erfolg einer Konsole ist ein Segen und gleichzeitig ein Fluch. Auf der einen Seite bedeuten Verkaufserfolge für Entwickler die Fortsetzung bekannter Serien sowie genug Geld um vielleicht sogar neue Reihen zu entwerfen. Auf der anderen Seite kommt es allerdings auch immer wieder vor, dass weniger talentierte Entwickler ein Stück vom großen Kuchen ab bekommen möchten. Hat man nun noch eine erfolgreiche Plattform wie Nintendos Wii, die zu einem gewissen Prozentsatz auch absolute Gaming-Einsteiger im Wohnzimmer stehen haben, kann das fatale Folgen haben. Aktuell bemerken wir leider immer wieder, dass lieblos irgendwelche Games auf den Markt geworfen werden, die nicht einmal den Rohling wert sind, auf den sie gebrannt wurden. Ob Die ultimative Brettspielesammlung von Empire Interactive ebenfalls in diese Kategorie fällt? Die Ansätze wären an sich gar nicht einmal so verkehrt, denn wenn gleich man Brettspiele nicht unbedingt als Videospielumsetzung braucht, so verspricht immerhin der Aspekt der „Spielesammlung“ einen gewissen Umfang als Gegenleistung für die sauer verdienten Kröten, die man für den Silberling im Laden gelassen hat. Der Blick auf die Packungsrückseite verrät allerdings, dass wir es mit lediglich einem Dutzend Spielen zu tun haben. Das mag immer noch ausreichend sein und mit „Vier gewinnt“, „Schiffe versenken“, „Schach“, „Mühle“ und „Dame“ sind auch in der Tat einige Klassiker mit an Bord. Wer aber weiß, dass die PSP-Variante des Titels 20 Games bietet, darf sich die Frage stellen, warum Wii-Spieler mit einer gekappten Fassung leben und dafür noch einen höheren Preis bezahlen sollen.

Das Grauen nimmt seinen Lauf, sobald man die Disc eingelegt hat und sich im Startmenü des Spiels befindet. Derart lieblos findet man nur selten eine Menüpräsentation, wie es hier der Fall ist. Bei den Spielen hat man die Auswahl zwischen den drei Bereichen „Klassisch“, „Strategie“ sowie „Familie“. Zu den klassischen Spielen gehören dabei „Schach“, „Dame“, „Reversi“ und „Backgammon“. Im Bereich „Strategie“ dagegen finden sich „Vier gewinnt“, „Gomoku“, „Mahjong“ und „Sudoku“ wieder, während man im letzten Punkt „Familie“ mit den Titeln „Halma“, „Puzzle“, „Wortwürfel“ und „Schiffe versenken“ rechnen darf. Alle Spiele können entweder alleine absolviert werden oder – und jetzt wird es gemein – man zwingt noch ein paar Freunde oder Familienmitglieder vor die Konsole und drückt ihnen eine Wiimote in die Hand. Die Tortur beginnt schon damit, dass man vor jedem Spiel den Namen erneut eingeben muss. Mii-Unterstützung? Keine Chance. Und neue Wiimotes müssen übrigens durch ein Drücken von 1+2 gleichzeitig angemeldet werden. Wer also lange untätig ist, weil er entweder beim Spielen eingeschlafen ist oder gerade einen Suizidversuch hinter sich hat, muss die Wiimote jedes Mal wieder umständlich anmelden. Warum hier nicht ein simpler Druck auf den A-Button gereicht hat wie bei bisher allen anderen von mir gezockten Games, entzieht sich meiner Kenntnis und ist absolut unverständlich. Doch es gibt noch mehr Schludrigkeiten, die sich die Programmierer bei der ultimativen Brettspielesammlung erlaubt haben. Bei „Vier gewinnt“ beispielsweise darf man sich entscheiden, ob man in der Tat vier Gewinnsteine haben möchte, oder ob man mit einer trickreicheren Variante schon mit drei Steinen in einer Reihe zum Sieg kommen möchte. Hat man die klassische Vierer-Variante gewählt und gewinnt, wird „Dreier!“ eingeblendet. Siegt man dagegen mit drei Steinen, wird ein „Vierer!“ auf dem Screen angezeigt. Dieselben Unzulänglichkeiten gibt es beim „Wortwürfel“, wo man in den Optionen festlegen kann, ob die Buchstaben zusammenhängend auf dem Feld sein müssen oder nicht. Hier wurden ebenfalls die beiden Schaltflächen vertauscht, so dass „aus“ eigentlich „ein“ bedeutet und umgekehrt. Wäre die Sammlung an Spielen wirklich „ultimativ“ gewesen und wir hätten an die 100 Games zur Auswahl, könnte man einen derartigen Faux Pas verzeihen. Bei gerade einmal einem Dutzend Spielen wäre hier größere Sorgfalt bei der Programmierung notwendig gewesen.

Doch wie sieht es abgesehen von solchen Kleinigkeiten aus? Nun, da stellt sich in erster Linie die Frage, ob die zur Verfügung gestellten Titel denn Spaß machen. Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Nein. Man spielt alle Games mal kurz an, mal aus Neugier, mal weil man wirklich Interesse an dem Game hat und sich fragt, wie die Umsetzung gelungen ist. Wirklich hängen bleibt man dabei allerdings nicht. Die Puzzles beispielsweise sind anspruchslos und öde, der „Wortwürfel“ erkennt die einfachsten Begriffe nicht und schreibt euch somit auch keine Punkte gut, „Schiffe versenken“ ist weder in der traditionellen Variante noch in der aufgepeppten Version mit unendlich Schuss, wo man nur schneller als sein Gegner ballern muss, wirklich fesseln. In „Vier gewinnt“ tritt nicht nur der bereits erwähnte Fehler beim Sieg auf, zuvor langweilt man sich selbst auf mittlerer Stufe gegen die CPU zu Tode und erlebt nur im höchsten Schwierigkeitsgrad so etwas wie Anspruch – dann allerdings wieder gleich so dreist, dass eure Siegchancen gegen Null gehen. Von ausbalanciertem Gameplay hat man im Hause Empire Interactive wohl noch nie etwas gehört. Ein weiteres Beispiel: Beim „Sudoku“ werden euch falsch platzierte Zahlen sofort angezeigt, wodurch der gesamte Witz eines „Sudoku“ flöten geht. Einigermaßen erträglich sind die vier klassischen Spiele, wobei selbst hier eher die Langeweile regiert. Da man im Gegensatz zu Nintendos Wii Schach auf einen Onlinemodus verzichtet hat, zieht man selbst hier den Kürzeren. Die großartig versprochenen Tutorials, mit denen man bisher nicht gekannte Spiele erlernen soll, sind ebenfalls eher lachhaft. Blanke Texttafeln erklären kurz die Regeln, das war es dann allerdings auch schon wieder. Warum es auf den anderen beiden Systemen freizuspielende Extras gibt und man auf der PSP sogar Puzzles aus eigenen Bildern erstellen darf, wo die Wii doch ebenfalls SD-Karten unterstützt? Fragt die Programmierer, nur die können das beantworten. Noch kurz ein Satz zur Steuerung: Die in erster Linie auf die Pointerfunktion der Wii zurückgreifende Steuerung funktioniert zwar meist recht akzeptabel, alles andere wäre aber auch eine reine Katastrophe gewesen.

Anspruch? Was ist das?

Stichwort „Katastrophe“: Wir sind also bei der Technik des Spiels angelangt. Man hat sich ja als gebeutelter Wii-Besitzer mittlerweile schon an vieles gewöhnt. Was uns aber mit Die ultimative Brettspielesammlung vorgesetzt wird, setzt neue Maßstäbe in Sachen Dreistigkeit. Es ist ja generell nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Game gleichzeitig für mehrere Plattformen (in diesem Fall: Wii, PSP, PS2) entwickelt wird. Warum es dann aber trotzdem schlechter als auf dem N64 aussehen muss, ist mir ein Rätsel. Die Präsentation ist von der ersten Sekunde an ein schlechter Scherz, Effekte sucht man vergebens und ein Grundkurs in Sachen „ansehnliche Grafik für Anfänger“ hätte den Programmieren ebenfalls nicht geschadet. Wirbt man auf der Rückseite der Hülle mit animierten Hintergründen, so stören diese vor allem bei ruhigeren Spielen wie Schach einfach nur das Spielgeschehen. Ansprechend oder gar beeindruckend sind sie deswegen aber noch lange nicht, sondern eher liebloses Beiwerk.

Noch schlimmer verhält es sich mit dem Sound. Bereits nach maximal zwei Minuten wiederholen sich sämtliche Melodien und gehen dem Spieler so dermaßen auf die Nerven, dass man am liebsten die Wiimote in den Fernseher feuern möchte. Nur eine vorbildlich angelegte Handgelenksschlaufe und die Möglichkeit die Musik in den Optionen ausstellen zu können bewahren den Spieler hier vor größerem Schaden. Dass die Soundeffekte ebenfalls maximal Durchschnitt und schon tausendfach so oder ähnlich gehört wurden, sei nur noch am Rande erwähnt.

Fazit

Schon meine Oma hat immer gesagt, dass mein Bruder und ich nicht zu viel „vor der Kiste“ sitzen sollen, sondern lieber etwas „vernünftiges“ spielen. Ob sie damals schon geahnt hat, dass uns irgendwann mal eine Software-technische Grütze wie Die ultimative Brettspielesammlung ins Haus stehen würde? Wer weiß das schon. Jedenfalls hat man bei diesem Titel so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Dies resultiert in einem quasi nicht vorhandenen Spielspaß. Mein Tipp daher: Finger weg! Und seid ihr bereits auf die Verpackung hereingefallen und habt das Spiel gekauft, dann verwendet die Disc als Frisbee. Das macht garantiert mehr Spaß, als auch nur eine Minute lang diesen Titel zu zocken.

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Packshot Die ultimative Brettspielesammlung

Die ultimative Brettspielesammlung

Release: 30.05.2008
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 4
USK: